Um auf die ursprüngliche Fragestellung nach den "Auswahlkriterien" zurückzukehren:
- sind alle meine Anforderungen damit erfüllbar?
- ist zu erwarten, dass der Anbieter in 10+ Jahren noch existiert?
- Lieferzeiten, Lieferzeiten Ersatzteile, Langzeitverfügbarkeit Ersatzteile
- Kosten für Hardware, Lizenzkosten pro auszuliefernder Einheit
- Kosten für Entwicklungsumgebung, Inbetriebnahme- und Service-Werkzeuge
Den Punkt "weltweit vorhandener Service" ist für mich kein Kriterium (mehr), da sich in den letzten 20 Jahren gezeigt hat, dass der Service mit zunehmender Firmengröße schlechter wird. Vor allem bei Siemens ist das wirklich schlimm geworden. Wenn man wirklich guten Support haben will, muss man mit den richtigen Schlüsselwörtern Service-Requests stellen oder wenn man tatsächlich mehr Hintergrund-Infos haben will, muss man monatelang hartnäckig sein. Schnelle Hilfe gibts selten, meldet man Bugs wird man schnell mal als unfähig hingestellt. Für grobe Probleme muss man Workarounds finden.
Details:
zu 1. sind alle meine Anforderungen damit erfüllbar?
Die Bandbreite der Anforderungen ist hier sehr groß. Schnell mal ein paar digitale und analoge EAs kann schnell mal jemand.
Ein paar Details, mit denen ich immer wieder kämpfe:
- wir müssen viele 24V Antriebe >= 1kw einsetzen, hier ist man entweder sehr schnell sehr teuer, oder man hat als Möglichkeit zur Steuerung nur Analogsignale oder CAN-Bus (nicht CANopen) zur Verfügung. CAN ist speziell im Siemens-Umfeld immer ein nicht ganz triviales Thema
- was spielt die Sicherheitstechnik: Wir setzen häufig sichere Laserscanner ein, bei denen nicht nur 1 oder 2 Felder hinterlegt sind, sondern wo komplexere Logiken drinne stecken. Als Anbieter kommen nur Sick oder Leuze in Frage, eine Anbindung an Steuerungen kann nur über ProfiSafe (Sick, Leuze) oder CIP Safety oder proprietäre Systeme (Sick) erfolgen, womit der Markt der Steuerungsanbieter schon stark eingeschränkt wird. Realistisch bedeutet das, dass man auf PhoenixContact und Siemens beschränkt ist, wenn auf andere Steuerungshersteller gehen möchte muss man eine kleine Sicherheitssteuerung dazwischenschalten.
- Welche Reaktionszeiten muss ich erreichen? Muss ich Sensorik isochron abtasten können?
- Auf welchen Wegen muss ich mit Fremdsystemen kommunizieren?
- Welche speziellen Arten von Peripherie setze ich ein?
- Einbauraum
zu 2. ist zu erwarten, dass der Anbieter in 10+ Jahren noch existiert?
Die Frage ist immer schwierig zu beantworten. Dass eine Firma von einem größeren geschluckt wird kommt vor, führt aber kaum dazu dass Komponenten nicht mehr verfügbar sind. Das "Geschlckt-werden" führt leider oft dazu, dass Innovationskraft und Flexibilität verschwindet, aber das Problem hat jeder Anbieter früher oder später.
Realistischerweise wird man es aber bei keiner Firma sagen können, wie lange sie existieren, auch nicht bei Siemens, Rockwell, B&R (ABB), Beckhoff, Sigmatek, Wago, PhoenixContact, Saia Burgess, Jetter, Omron, Misubishi,
Yaskawa, .....
zu 3. Lieferzeiten, Lieferzeiten Ersatzteile, Langzeitverfügbarkeit Ersatzteile
Hier wirds interessant und man muss genau hinsehen. Dass man beispielsweise Teile auf "Anlagenstillstand" bestellen und binnen 24h bekommt, ist eine tolle Sache die sich Siemens auch zahlen lässt. Außerdem wird garantiert, dass Ersatzteile auch 10 Jahre nach Abkündigung noch verfügbar sind. In der Praxis sieht das dann doch manchmal ganz anders aus (wie man beispielsweise bei den MP277 gesehen hat). Die Stärke der kleinen ist hier sicherlich, dass die eher in der Lage sind, alte Teile auch noch zu reparieren - aber das ist generell ein schwieriges Thema.
Ein gutes Beispiel für die Langzeitverfügbarkeit sind imho Industrie-PCS, im speziellen die Mainboards dafür. Hier hatte beispielsweise Beckhoff vor > 15 Jahren lange das Problem, dass sie alle paar Monate neue Mainboards eingebaut haben, weil die von der Stange gekauft wurden. Die Ersatzteilkompatibilität war eine Katastrophe. Seit sie ihre eigenen Mainboards bauen, gibts auch eine entsprechende Langzeitverfügbarkeit und das Thema ist lange vom Tisch.
zu 4. Kosten für Hardware, Lizenzkosten und Inbetriebnahmeaufwand pro auszuliefernder Einheit
Man muss immer das Gesamtpaket betrachten.
zu 5. Kosten für Entwicklungsumgebung, Inbetriebnahme- und Service-Werkzeuge
Da ein Vergleich am Markt immer mehr über die Hardware-Preise stattfindet, müssen die Hersteller natürlich Geld auf anderen Wegen lukrieren. Rockwell ist da wirklich teuer, auch bei Visu- und SCADA-Systemen ist das recht wild. Die Siemens-Lizenzpolitik ist auch sehr eigenwillig. Dass man ein Basis-Paket (fast) her schenkt, mit dem man zwar etwas machen kann, aber die wirklich brauchbaren Dinge sind nicht aktiviert (S7 Basic, Automation Tool) ist manchmal etwas befremdlich. Bei Sigmatek haben wir bis dato für Lizenzen noch kein Geld bezahlt.