Hallo Volker,
mir stellen sich zuerst folgende Fragen:
Alte Maschine, wann war das erste Inverkehrbringen, vor dem 01.01.1995?
Wurde bei dem Retrofit eine Bewertung auf wesentliche Veränderung durchgeführt?
Wenn das Ergebnis der Bewertung auf wesentliche Veränderung „Nein“ war warum dann jetzt ein neues Inverkehrbringen?
Es ist bei „Alten Maschinen“ oft nicht möglich die aktuellen Richtlinien zu erfüllen.
Du musst dazu ein komplettes Konformitätsbewertungsverfahren durchführen unter anderen mit der MRL2006/42/EG und alles erfüllen was da gefordert ist und das am besten mit den aktuellen harmonisierten Normen.
Wenn die Maschine nicht erneut In Verkehr gebracht wird, muss eine Gefährdungsbeurteilung nach BetrSichV §3 durchgeführt werden, hierzu kann ich Dir die
EmpfBS 1114, weitere TRBSen und harmonisierte Normen zum Ermitteln was heute Stand der Technik ist empfehlen. Dazu findest Du Fachbeiträge auf meiner Homepage (ist noch die BekBS1114 aufgeführt).
Zum vierten Parameter des Anhangs A:
Dies muss man bei der Anwendung des Anhang A berücksichtigen:
„ANMERKUNG Dieses Verfahren zur Abschätzung des PLr ist nicht verbindlich. Es ist ein generischer Ansatz, der die ungünstigste Eintrittswahrscheinlichkeit eines Gefährdungsereignisses annimmt (d. h. die Eintrittswahrscheinlichkeit ist 100 %). Andere geeignete Methoden zur Risikoabschätzung für bestimmte Arten von Maschinen können verwendet werden und Erfahrungen im erfolgreichen Umgang mit ähnlichen Maschinen/Gefährdungen sollten bei der Abschätzung von PLr berücksichtigt werden. Daher kann der erforderliche PL in einer Typ-C-Norm vom demjenigen abweichen, der durch den generischen Ansatz in Bild A.1 ermittelt wird.“
In Typ-C Normen findet man fast immer realistischere PLr als es sich bei der Anwendung des Anhang A ergeben, aber da die Anwendung des Anhangs A meist einen höheren Wert ergibt, geht das auf die sichere Seite und ist erstmal nicht falsch.
Wenn man nun den Parameter Eintrittswahrscheinlichkeit eines Gefährdungsereignisses anwenden will muss man nach meiner Ansicht erst einmal Wissen was die Normen unter dem Begriff verstehen.
„Gefährdungsereignis
Ereignis, das Schaden verursachen kann
ANMERKUNG Ein Gefährdungsereignis kann kurzzeitig oder über eine lange Zeitspanne hinweg auftreten“
„Gefährdungssituation
Sachlage, bei der eine Person mindestens einer Gefährdung ausgesetzt ist“
Es geht also um folgendes ein Gefährdungsereignis tritt im Falle der funktionalen Sicherheit dann ein, wenn:
- Die Sicherheitsfunktion einen gefährlichen Ausfall hat
- Die Person in diesem Moment an der Gefahrenstelle ist und nicht erkennt das Sie einer Gefährdungssituation ausgesetzt ist und es dann zu einem Gefährdungsereignis (Schaden der Person) kommt.
Aus diesem Grund schreibt die Norm ja auch:
„Eintrittswahrscheinlichkeit eines Gefährdungsereignisses sollte auf Faktoren beruhen, zu denen folgende zählen:
- Zuverlässigkeitsdaten;
- Unfallgeschichte an vergleichbaren Maschinen.
ANMERKUNG Eine geringe Zahl an Unfällen muss nicht zwingend bedeuten, dass das Eintreten von Gefährdungssituationen gering ist, sondern dass die Sicherheitseinrichtungen der Maschine ausreichend sind.“
Wobei vergleichbare Maschinen
- dasselbe/dieselben Risiko/Risiken umfassen, die die maßgebliche Sicherheitsfunktion verringern soll,
- den gleichen Prozess und dieselbe Betätigung durch die Bedienungsperson erfordern,
- die gleichen Techniken anwenden, die die Gefährdung verursachen.„
Man benötigt um diesen Parameter anwenden zu können eben Zuverlässigkeitsdaten von vergleichbaren Maschinen, die Sicherheitsfunktion muss genauso aufgebaut sein. Man muss sich bzw. die Anwender fragen ob es Ausfälle gab und in welche Richtung.
Und ob es dadurch dann auch Unfälle gegeben hat.
Was bedeute das jetzt in deinem Fall:
Du hast nur diese Maschine, als keine Vergleichswerte die genauso aufgebaut sind!?
Du benötigst schon Daten von vergleichbaren Maschine und Anwendungen.
Das sehe ich bei Dir nicht, eine Maschine ist da etwas dünn.
Ich habe das schon angewandt z.B. bei Maschine die in gleicher Ausführung (ca. 20) (PLr=c) und gleiche Anwendung ausgeführt waren, Daten lagen für 18 Jahre vor, hier hat der Betreiber, Anwender diese Daten liefern können.
Die Risikoeinschätzung mit den 3 Parametern hat PLr =d ergeben und auf Grundlage der Daten hat man PLr=c ausgeführt.
Weiteres Beispiel, Absturzsicherung einer Achse, der Hersteller kann nachweisen das er mit einer Bremse bisher keine Ausfälle und keine Unfälle hatte, Zeitraum 15 Jahre und sehr viele Maschine immer gleiche Anwendung.
PLr ermittelt mit Anhang A „d“ mit Parameter 4 PLr=c.
Ich hatte das Thema bei sehr vielen Anwendungen und Einschätzungen in meinem Team nur 3 Mal, alle anderen die diese Trumpfkarte gerne gezogen hätten, konnten keine realistischen Daten liefern.
Was auch wichtig ist, es geht nicht darum das es eine unsichere Maschine wird, es wird nur realistisch die Eintrittswahrscheinlichkeit abgeschätzt. Man muss damit aber sehr vorsichtig umgehen, denn wenn es dann zu einem Unfall kommt kann das schon erhebliche Konsequenzen haben. Also wichtig realistische Daten die man auch nachvollziehen kann!