Hallo Ihr Automatisierer,
habe soeben dieses Unterforum entdeckt, und bin beim neugierigen Stöbern auf "Doc Alex" gestoßen - und bin mit den unterschiedlichsten Gefühlsregungen durch die 7 Seiten mit Beiträgen gegangen.
Kurz zu meiner "Position": bin promovierter Physiker, "mache" aber in Industrie-Automation und "Messen, steuern. regeln". Habe parallel dazu viele Jahre als Energieberater und Fachplaner für "Intelligente Gebäudetechnik" die typische Konstellation "Innovationsfreudiger Hausbauer mit Familie" vs. "etabliertes Handwerk" mit einen Innovationspotential, das sich am besten mit "das haben wir schon immer so gemacht" vermittelt. Lediglich ein junger Betrieb für Heizung, Wasser, Strom, Lüftung ist mir dabei unter gekommen, der bereitwillig an unseren Projekten lernen wollte.
Und ja, wir haben auch gebaut, 1999/2000. Und ja, da mußte natürlich "Automation" rein. Und ja - das Haus wartet heute noch darauf - einfach keine Zeit bei viel Eigenleistung, eigene Firma parallel dazu , Familie, Kinder. Und wie ich in Euren Beiträgen lese: history's repeating ...
Allerdings: ich habe gute Grundlagen gesetzt: Gastherme an großem Puffer für Heizung und WW, Raumlüftungsrohre teilweise schon verlegt, alle Kabelwege und Verrohrungen in Schächten jederzeit zugänglich, Elektrik hinter Fußleisten und in Leerrohren verteilt.
Und nun: endlich wird die Gebäudeautomation anstehen, und sie soll so aussehen, dass das Haus in vlt. 10 Jahren verkaufbar ist.
Anfangs hatte ich bei der Heizungsanlage ähnlich "Kontroll-Attacken" wie Doc Alex. Aber mir war schnell klar, dass man eigentlich nur wenig braucht: pro Raum einen Sollwertgeber für die Wunschtemperatur, einen Pt100, ein 3P-Stellventil, den Präsenzmelder. Regelungsverfahren: Ventil geht auf, bis Wunschtemperatur erreicht ist, mit der vom Mischer her bekannten PWM-Regelungsmethode (auf deutsch: stückchenweise mit dem Ventil an Zeilwert "Raumtemperatur" heran tasten, je näher man am Ziel ist, umso behutsamer). Funktioniert bei der klassischen Vorlauf-Temperaturregelung schon immer problemlos, da braucht man keine hochdynamische PID-Regelung mit feinst abgestimmten Paramtern.
Aber: dazu gehört dann doch Intelligenz: Fenstersensoren erkennen nicht nur den Einbruch, sondern auch, dass sich Heizen nicht lohnt, weil's Fenster offen steht und es draußen kälter ist als drinnen. Und: die Vorgabe für Vorlauftemperatur des Kessels (und damit des Heizungsspeicherwassers) wird nicht nach der Außentemperatur gefahren werden, sondern danach, ob die Zielvorgaben für die Raumtemperaturen in vertretbaren Zeiträumen erreicht werden - "bedarfsorientiert" eben (verbunden mit einigen Plausibilätskontrollen in der Software).
T-Fühler im RL sind nice-to-have, aber die HKs sind sorgfältig berechnet, werden also dem Bedarf gerecht werden. Und wenn mal eine Zielvorgabe "Raumt-T" nicht erreicht wird, kann ich immer noch per Meldung an die Bewohner mitteilen, dass da vlt. ein Ventil hängt ...
So, und wie denke ich über "SPS-Wahl" und die Verkaufssituation bei eine "BastellösunG", die kein Schwein außer ich selbst warten kann - der Handwerker um die Ecke schon garnicht?
Einerseits stimmt es natürlich - alles, was über die klassische Minimallösung hiaus geht, kann verkaufshemmend sein. Andererseits: ist ein "dummes" Haus in 10 Jahren noch gut verkaufbar? - Es gibt zehntausende Menschen in D, die eine SPS programmieren können. Und oft sind sie in "industriellen" Handwerksbetrieben organisiert, in denen die Heizungspumpe genauso zu täglichen Baumaterial gehört wie wie Siemens-SPS oder ein "Steuerelais" à la LOGO! oder Moeller/Eaton easy. Wenn das "Klassische" Handwerk sich da nicht ganz schnell für diese Technik öffnet, dann können die eh' bald ihre Betriebe schließen.
Welche "Steuerung"? - man bedenke: eine Industrieanlage ist nach 10 Jahren oft schon "alt", und wird überholt (Funktionsänderung, Anpassungen ...). Ein Haus baut man normalerweise für die nächsten 30 Jahre und mehr. Der Lichtschalter, der 1970 eingebaut wurde, funktioniert immer noch. Die Heizung - da wurde mal der Kessel getauscht und die ein oder ander Pumpe, aber sonst ist es das System von 1970. Und geht. Welche der heutigen "Smart Home" - Lösungenn ist wirklich auf diese Perspektive ausgelegt? - Keine.
[Einschub: KNX lehne ich schon immer und grundsätzlich ab: damals wurde parallel zu existierenden Buslösungen (CAN, um nur einen zu nennen) ein eigener Bus definiert, um den eigenen Markt möglichst gut abzuschotten. Technische Gründe gab es nicht: CAN beispielsweise ist so nahe an KNX, dass man sich fragen muß - wozu KNX. Und das gilt auch für LON, LCN usw. Die Produkte sind unglaublich überteuert (bis auf LCN - aber nur ein Hersteller). Es gibt eine einzige, teure Programmiersoftware (ETS). Ich kenne wenige wirklich funktionierende KNX-Installationen - weil's der programmierende Handwerker halt nicht hinbekommen hat. Also KNX: nein, danke. - Das gilt übrigens auch für "DDC"-Systeme von kieback: proprietäre Inselprodukte. Wie leider vieles in der Smart Home Welt]
Also was werde ich also machen?
(a) Einfache, austauschbare Sensorik und Aktorik. Pt1000, 3P-Stellglieder, normale, gereglte Pumpen, normale Elektro-Schalter-Programme.
(b) Eine Standard-SPS. Siemens S7-1200 oder ET200SP (= S7-1500), wenn ich mit proprietären Programmiersoftware "TIA-Portal" einverstanden bin. Vorteile: ein ganzes Meer an Programmierern da draußen auf einem sehr weit verbreiteten Hardware-Standard, extrem lange Ersatzteilversorgung. Nicht ganz billig, aber die Kosten einer Siemens-SPS sind nicht mehr so hoch wie zu S5- und anfangs zu S7-300 - Zeiten. Oder wie schon genannt wago mit
Codesys. - Eine sauber dokumentierte "Anlage" kann auch in 20 Jahren problemlos gewartet werden, ich mache sowas in der Industrie ständig.
(c) Programmierung: einfache Ablauf-Befehle mit Standard-Bausteinen. die werden auch in 20 Jahren portierbar sein auf neue Steuerungsgenerationen. Lichtszenarien, Panik-Beleuchtung, Anwesenheitssimulation - alles kein Hexenwerk und verglichen mit industrieller Meß- und Regelungstechnik in hochdynamischen Produktionsanlage wirklich pillepalle. Eine sauber dokumentierte Software kann auch in 20 Jahren problemlos gewartet werden, ich mache sowas in der Industrie ständig.
(d) Vernetzung und Bedienung ("HMI"): Leute - Ethernet-IP und Browser-Funktionalitäten sind milliardenfach auf dieser Welt verteilt. Eine Unnmenge an Geräten "kann" das. Dieser Standard wird sich nicht binnen 10 Jahren in Luft auflösen. Klar, es wird immer wieder und schnell "Innovationen" geben, aber die Basis ist relativ stabil. - Selbst eine kleine winzige Eaton Easy - SPS bediene ich mit meinem Smartphone. Irgendwelche proprietären "Displays" im Flur, "Home Server" und ähnliche Horrorgegenstände sind sowas von gestern - sorry, GIRA. Die Hard- und Software-Basis kostet pippifax. Und wenn das Bedien-Tablett, dass normalerweise auf dem Eßtisch liegt, runter fällt und zerbröselt - na dann nehme ich solange mein Samsung Galaxy / iPhone und kaufe mir demnächst wieder ein preißwertes Aldi-Tablett (oder nehme den Fernseher). - Lichtschalter, Sensoren, Aktoren usw. verdrahte ich direkt auf die Etagen-SPS bzw. dezentrale Perpherie, oder nutze kleine billige Swichtes. "IoT" läßt grüßen, steht schon vor der Tür.
Und wenn mal was nicht geht? - Das Handwerk heute: Termin vereinbaren ... "oh, die Heizsaison hat gerade angefangen, Sie wissen ja ...". Industrie: "stecken Sie mal das Patchkabel rein, ich gehe gleich an meinen PC und schaue mal nach ...". Und via VPN bin ich "drin", sehe im Diagnosepuffer der Steuerung, wo's klemmt und schicke den Installateur mit dem
Ersatzteil.
Ich gehe mal davon aus, das jemand, der in 10..20 Jahren mein Haus kaufen wird, erwartet, dass sein Haus so modern und gewohnt funktioniert wie sein Smartphone und moderne Steuerungstechnik in anderen Bereichen.
PS: da ich das alles erst "demnächst" so realisieren werde, läuft die Heizung im Hause bisher total langweilig: Außentemperaturgeführter Vorlauf vom Kessel her in den Pufferspeicher, alle HK-Ventile komplett offen, FBH komplett offen. Vorlaufmischer für den HK-Kreis wird per Hand korrigiert, der für die FBH regelt nach Außentemperatur. - Die Solaranlage läuft mit einer einfachen handelsüblichen Solarregelung. Aber: die Größe der HKs und FBH habe ich sehr penibel ausgelegt, und was soll ich sagen: das Haus ist überall gleichmäßig und angenehm warm. Lediglich die Stellung des HK-Kreismischers drehe ich je nach Jahreszeit geringfügig nach. - Fazit: die perfekte Auslegung des Heizungssystems ist mehr als die halbe Miete. Aber welcher Handwerker macht das wirklich - das kostet Zeit. Und die bezahlt der Bauherr i.d.R. nicht.