Hallo Zusammen,
…sehr interessante Unterhaltung mit unterschiedlichen Betrachtungswinkeln und Ansatzpunkten.
Ihre Fragen würde ich wie folgt beantworten:
Ist es sinnvoll die Switche in das TIA-Projekt zu projektieren?
Aus Sicht des Programmierers mit Netzwerkverständnis macht das durchaus Sinn. Einerseits kann ich über das TIA-Projekt die Konfiguration dieser Geräte vornehmen, wie zum Beispiel für die IP Adressierung, Porteinstellungen, Zusatzfunktionen wie z.B. MRP und natürlich auch die durchgängige Topologie-Festlegung. Klare Vorteile sind hier, dass ich eine einheitliche Konfiguration und einen Plausibilitätscheck über das TIA Projekt habe und nicht die Switche über andere Wege konfigurieren muss.
Beim Anlagenbetrieb geht es vor allem um die Diagnosefähigkeit dieser Komponenten und schnelle Meldungen im Fehlerfall. Bei einer Störung einer IO-Baugruppe wäre interessant zu wissen, ob der Switch noch mit der SPS kommuniziert, oder ob dieser nützliche Diagnosemeldungen wie z.B. Portfehler, schlechte Leitungsqualität, erhöhte Netzlast usw. an die SPS sendet.
Es gibt für jede CPU ein eigenes TIA-Projekt, spricht außer der Übersichtlichkeit noch etwas dafür diese in ein Projekt zu sammeln?
Die Übersichtlichkeit würde ich hier auch hervorheben und auch den Plausibilitätscheck. Wenn ich ein Netzwerk habe mit mehreren PROFINET Anwendungen, die alle ein eigenes Projekt besitzen, können hier schnell Fehler bei der PROFINET Namensvergabe und in der IP Adressierungen gemacht werden. Ziel sollte es sein in einem Netzwerk nur einmal den Namen und die IP-Adresse zu verwenden.
Auf welchen Wert stellt man die "Zyklusbelastung durch Kommunikation" normalerweise ein?
Einen goldenen Weg gibt es hier aus meiner Sicht nicht. Es kommt immer auf die Randbedingen an, welche auch maxder2te erwähnt, wie z.B. OPC-UA Verbindungen und sonstige Nicht-Echtzeitzugriffe. Persönlich würde ich mit 20% starten, um die SPS Zykluszeit durch solche Zugriffe nicht unnötig zu erhöhen.
Ist es Sinnvoll im TIA-Projekt die Teilnehmer in der Topologiesicht zu verschalten? Oder reicht die Netzsicht?
Die Topologieverschaltung bringt die Vorteile mit sich, dass ein Gerätewechsel ohne vorhergehende Gerätekonfiguration möglich ist und man Diagnosemeldungen bei Änderungen im Netzwerk (z.B. falscher Nachbar) bekommt. Jedoch kann dies nur für PROFINET Geräte vorgenommen werden. Alle anderen Geräte gehen bei dieser Betrachtung verloren, wodurch entweder eine falsche Sicherheit erweckt wird, oder doppelte Arbeit notwendig wird.
Gerne würde ich noch etwas zu den empfohlenen Maßnahmen von maxder2te hinzufügen:
1. Master CPU von 1515 auf 1517 tauschen
Sollte wirklich die Performance ein Thema sein und darauf deuten auch die normale Zykluszeit von 50ms hin, dann ist dies bestimmt eine Lösung. Ich bin jedoch kein Freund vom pauschalen Austauschen von Komponenten, da es auch andere Stellschrauben gibt. Größer, Schneller, Weiter ist häufig nicht wirtschaftlich (es werden ja auch keine Briefe mit einem Auflieger für Schwertransport ausgeliefert).
2. Profinet-Sendetakt bei allen CPUs von Default 1 ms auf 4 ms erhöhen - für deinen Prozess wird das unerheblich sein, allerdings wird das Profinet-Netzwerk wesentlich toleranter und du reduzierst die Netzlast immens.
An sich geht diese Empfehlung in die richtige Richtung, wenn die vorherrschende Netzlast im System zu hoch ist. Jedoch sollte hier das Augenmerk auf die Aktualisierungszeit der einzelnen Gerät gelegt werden und diese nach dem realen Bedarf eingestellt werden à ein wichtiges Thema der Netzwerkplanung. Hintergrund: Mit dem Sendetakt wird der Takt für die Aktualisierung im Netzwerk vorgegeben. Bei dem Beispiel von 1ms sendet die Steuerung jede Millisekunde Daten an die IO-Baugruppen. Ist nun eine Aktualisierungszeit flächendeckend von 2ms konfiguriert, dann wird im ersten Takt (erste Millisekunde) eine Hälfte der IO-Baugruppen angesprochen und im zweiten Takt (zweite Millisekunde) die zweite Hälfte. Wird nun ein Sendetakt von 4ms genutzt und die Aktualisierungszeit beträgt ebenfalls 4ms, dann werden alle 4ms alle IO-Baugruppen angesprochen, was die Netzlast sogar punktuell erhöht und somit die Warteschlangen in den Switches kurzzeitig auslasten kann.
Empfehlenswert ist daher bei dieser Betrachtung ein niedriger Sendetakt (1ms oder sogar 0,25ms) und eine passende Aktualisierungszeit für die Endgeräte, um den entstehenden Datenverkehr möglichst gleichmäßig auf die Zeit zu verteilen und Spitzen zu vermeiden.
3. Bei 4 ms Sendetakt wären prinzipiell 28 Profinet-RT Teilnehmer in einer Linie zulässig. Das ist auch ok, sofern alle Swicthes dazwischen managed sind. Manche Firmen haben leider die Unart, ein paar 100 EUR zu sparen und setzen statt der XC200 auf einfache 100 MBit-Switches welche den Profinet-Verkehr manchmal nicht priorisieren.
Ich gebe Ihnen hier recht, dass die Auswahl der Switches gerade bei komplexen Netzwerkstrukturen große Prio haben sollte. Jedoch ist das Thema Performance und Priorisierung nicht der gravierende Unterschied, da auch günstige IT Switche sehr schnell die Performance von den von Ihnen erwähnten Scalance XC200 um ein Vielfaches übersteigen. Schauen Sie sich hier einmal Werte wie z.B. Backplane Capacity, Data Throughput und Switchmemory an. Man sollte einfach ein Verständnis für dieses Thema haben und gerade bei komplexen Netzwerken (eine Vielzahl an unterschiedlichen Kommunikationsprotokollen und unterschiedlichste Kommunikationswege) das Thema planen, wofür einfache Hilfsmittel genutzt werden können. Und hier ist man einfach wieder bei dem Thema Netzwerkstabilität (Hardware mit passender Performance) und Wirtschaftlichkeit.
Wenn ich die Leistungsdaten der 1515 mit einer 1517/1518 vergleiche frage ich mich ob man nicht alles auf dieser laufen lassen kann.
Die Stationen könnte man ja durch eine ET200MP ersetzten.
Dann würde man sich auch die ganze Kommunikation mit den CPUs sparen.
Jedoch müsste die CPU dann 100 PN-Geräte und 30 PB-Geräte befeuern.
Grundsätzlich stellt eine Anzahl von 100 PROFINET Geräten und 30 PROFIBUS Geräten aus Netzwerk- und SPS-Sicht kein Problem dar. Hier empfiehlt sich vielleicht eine Aktualisierungszeit von 8ms für die PROFINET Geräte. Zum Beispiel ermöglicht Siemens bei der 1518 eine Anbindung von bis zu 512 PROFINET IO Baugruppen und inkl. PROFIBUS und AS-i sogar bis zu 1000. Was aus meiner Sicht zu betrachten ist, ist die Komplexität des eigentlichen SPS Programmes und die hierfür notwendige Performance und natürlich die Zykluszeit. Vielleicht hat hier jemand einen Tipp, wie dies geplant und berechnet werden kann.
Ich hoffe Sie finden eine passende Lösung für sich. Bitte auch gern hier die schlussendliche Lösung kurz im Diskussionschat beschreiben. Ich stehe auch weiter gern Rede und Antwort.
Frank Lehmann